Eine Entzündung des äußeren Gehörgangs (Otitis externa) gehört zu den häufigsten Gründen für die Vorstellung von Heimtieren, insbesondere Hunde, beim Tierarzt. Die Entzündung umfasst den Bereich vor dem Trommelfell. Sie kann akut oder chronisch verlaufen sowie ein- oder beidseitig auftreten.
Das 4D-Hunde-Ohrmodell von Dechra:
Quelle: https://www.4d-earmodel.com/
Zu den Symptomen gehören Kopfschütteln, Kratzen an den Ohren, Schmerzreaktion bei Manipulation, Ausfluss (Exsudat), unangenehmer Ohrgeruch, Rötung (Erythem), Gewebedefekt (Erosion, Ulzeration), Geschwürbildung, Schwellung und/oder Entzündung der Ohrspeicheldrüse (Glandulae salivariae).
Als Ursachen für eine Otitis externa kommen in Frage:
- Parasiten (Otodectes, Demodex, Sarcoptes¸ Psoroptes)
- Bakterien (Staphylokokken, Streptokokken, Enterokokken, Pseudomonas, Proteus)
- Viren (Canine Staupevirus)
- Pilze (Aspergillus)
- Hefepilze (Malassezia)
- Fremdkörper (Grannen, Pfropf aus Ohrenschmalz)
- Allergien (Nahrungsmittel- oder Kontaktallergie, Medikamente, atopische Dermatitis)
- Endokrine Erkrankungen (Hypothyreose, Hyperadrenokortizismus)
- Epithelisierungsstörungen (Talgdrüsenadenitis)
- Talgdrüsentumore (Hyperplasie, Adenom, Epitheliom)
- Autoimmunerkrankungen (Pemphigus foliaceus, Vaskulitis)
- Sonderformen (Katze: Proliferative und nekrotisierende Otitis externa, Hund: juvenile Zellulitis)
Folgende Faktoren erhöhen das Risiko an einer Ohrenentzündung zu erkranken:
- Anatomische Besonderheiten (Schlappohren, verengte Gehörgänge, übermäßige Behaarung der Ohrmuschel)
- übermäßige Feuchtigkeit (Umwelteinfluss, Schwimmen)
- obstruktive Ohrenkrankheiten (Neoplasie, Polypen, Hautzysten bei der Katze)
- Systemische Erkrankungen (Immunsuppression, katabole Zustände)
Die Diagnose basiert auf der Anamnese, allgemeine klinische Untersuchung, otoskopischer, zytologischer und mikrobiologischer Untersuchung.
Bei einer extrem schmerzhaften Entzündung des Ohres erfolgt vor der otoskopischen Untersuchung eine systemische Therapie mit Glukokortikoiden über mehrere Tage. Glukokortikoide wirken entzündungshemmend und schmerzstillend. Wenn die otoskopische Untersuchung am selben Tag durchgeführt werden muss, ist gegebenenfalls eine Sedierung erforderlich.
Eine Röntgenuntersuchung der knöchernen Strukturen des Ohres ist indiziert, wenn proliferatives Gewebe eine adäquate Visualisierung des Trommelfells verhindert, eine Mittelohrentzündung (Otitis media) als Ursache einer rezidivierenden bakteriellen Otitis externa vermutet wird und neurologische Anzeichen (Kopfschiefhaltung, hängendes Augenlid oder Maulwinkel) die Otitis externa begleiten.
Die Behandlung der Otitis externa umfasst die Reinigung des Gehörganges und eine lokale (topische) antimikrobielle und entzündungshemmende Therapie.
Grundsätzlich wird zwischen zerumenolytischen, sauren und basischen Ohrreinigern unterschieden. Das Cerumen besteht aus dem Sekret der Talgdrüsen und Ceruminaldrüsen im äußeren Gehörgang (Meatus acusticus externus), das mit abgestoßenen Epithelzellen, Staub, Härchen und Pigmenten durchmischt ist. Lösungen, wie Essigverdünnungen und andere reizende Hausmittel, sollten vermieden werden. Sie führen zu einer Schwellung der Auskleidung des Gehörgangs und zu einer Zunahme der Drüsensekrete, was zu opportunistischen Infektionen führen kann.
Der Tierarzt wählt den Ohrreiniger in Abhängigkeit von der Art der Infektion aus. Ohren mit dickem, trockenem oder wachsartigem Material müssen eventuell zwei- bis dreimal wöchentlich mit einem zerumenolytischen Ohrreiniger gereinigt werden. Infizierte Ohren mit Ausfluss sollten ein- bis zweimal täglich mit saurem (therapiebegleitend bei Hefepilzen) oder basischem Ohrreiniger (therapiebegleitend bei Bakterien) gereinigt werden.
Die Reinigung und Behandlung der Ohren wird erleichtert, wenn die Haare vor und um die Ohrmuschel sowie auf der medialen Oberfläche der Ohrmuschel und an den Spitzen der Ohrmuschel abgeschnitten werden. Das Auszupfen der Haare aus dem Gehörgang ist umstritten. Das Auszupfen in dem genannten Bereich kann die Otitis externa noch verschlimmern.
Vor der Einleitung einer antibiotischen Therapie wird eine mikrobiologische Diagnostik, d.h. einer Erregeridentifizierung, eingeleitet. Anschließend wird ein Antibiogramm erstellt. Das einzusetzende Antibiotikum wird durch den Tierarzt anhand der Eignung des Wirkstoffes aufgrund der klinischen Erfahrung und dem Gesundheitsstatus des Tieres ausgewählt. Falls mit dem initial ausgewählten Antibiotikum nicht der gewünschte Behandlungserfolg erzielt wird, kann der Tierarzt gezielt auf ein therapeutisch wirksames Antibiotikum umsteigen. Ein Antibiogramm ist das Ergebnis eines Labortests zur Bestimmung der Empfindlichkeit bzw. Resistenz von mikrobiellen Krankheitserregern gegenüber Antibiotika. Bei dem Testverfahren wird geprüft, ob ein Bakterium durch ein Antibiotikum in einer bestimmten Konzentration im Wachstum gehemmt wird, dann ist es empfindlich (sensitiv, manchmal auch als sensibel bezeichnet) gegenüber diesem oder ob keine Wachstumshemmung erfolgt, dann ist es resistent (widerstandsfähig) gegen den Wirkstoff.
Für eine adäquate Behandlung sind bei den meisten Hunden 1 ml antibiotische Ohrentropfen je (betroffener) Seite zweimal täglich erforderlich. Bei Hunden mit großen Ohren muss gegebenenfalls die 2- bis 3-fache Dosis angewandt werden. Es sind auch Ohrentropfen verfügbar, deren Verabreichung einmalig erfolgt. Die maximale Wirkung setzt dabei nach ca. 35 Tagen ein.
Die Dauer der Behandlung kann je nach Ursache und Schweregrad der Ohrentzündung zwischen 7 bis 10 Tagen und mehreren Monaten variieren. Die Behandlung sollte so lange fortgesetzt werden, bis die Infektion aufgrund erneuten Untersuchungen des Ohres, einschließlich Zytologie, abgeklungen ist. Klingt die Otitis externa trotz angemessener Therapie und Mitwirkung (Compliance) des Tierhalters nicht ab, ist eine Ausdehnung der Diagnostik auf das Mittelohr (Otitis media) in Betracht zu ziehen.